Biografie von d’Aciel Arbogast I.

Kurze Biografie von d’Aciel Arbogast

Von Nomis Arbogast

d’Aciel Arbogast (geboren am 30. März 1871, Grosswangen, verschollen im Juni 1969)

Über meinen Vater d’Aciel Arbogast zu berichten, ist nicht einfach. Um ehrlich zu sein, hatten wir ein etwas angespanntes Verhältnis. Das lag unter anderem daran, dass ich nicht bei ihm aufgewachsen bin. Meine Mutter starb an einer Lungenentzündung, als ich gerade einmal vier Jahre alt war.  Da sich mein Vater nicht um mich kümmern konnte oder wollte, wurde ich von einer befreundeten Familie grossgezogen. Da diese sesshaft waren, oder schuri, wie wir sagen, also «geschützt» lebende, hatten sie natürlich einen etwas anderen Lebenswandel als mein Vater, der bis zum Tag meiner Geburt nie einen festen Wohnort gekannt hat. Stets war er unterwegs und hat, mit Ausnahme des süd- und nordamerikanischen Kontinents, die ganze Welt bereist.  Meine Ansichten über die Skandaj waren denn auch etwas anders als die seinen, und das hatte bei unseren gegenseitigen Besuchen jedes Mal hitzige Diskussionen zur Folge. Trotzdem liebte ich ihn, und wenn er mich nicht gerade mit seinen Weisheiten zuschüttete, war ich begierig, von seinen Reisen und all den Ländern zu erfahren. Wie auch immer: Meine Gefühle für meinen Vater sind zwiespältig und werden es wohl immer bleiben. Einer der Hauptgründe war wohl, dass er seine Erzählungen, nach alter Skandaj Sitte, immer bis zum schieren Exzess ausschmückte, oder aber – und auch das kam vor – einfach nur Geschichten erzählte, die zwar irgendwo einen kleinen Kern Wahrheit enthielten, sonst aber hauptsächlich entweder der Belehrung, der Unterhaltung oder beidem dienten. Selten wusste ich, ob das, was er mir erzählte, wirklich wahr war oder erfunden. Erst viel später, als ich mit dem alten Amot sprach oder mit Miribal, mit anderen Bekannten und Freunden von ihm – und von denen gab es interessanterweise überall welche, und ich meine wirklich überall –, merkte ich, dass tatsächlich das meiste von dem, was er mir erzählte, stimmte. Wenn ich heute also über ihn berichte, schwingt in mir noch immer diese Skepsis bezüglich des Wahrheitsgehalts seiner Geschichten mit. Aber, und dank meines Alters kann ich das heute ruhig sagen, spielt das kaum eine Rolle: Wahrheit, Erfindung, Vergangenheit oder Gegenwart, alles mischt und beeinflusst einander so lange, bis letztlich quasi eine Essenz eines Lebens zutage gefördert wird, die uns, selbst wenn erfunden, wahrhaftig gegenübertritt.

Mein Vater war ein Skandaj, ein Nienetwiler, wenn ihr das so nennen wollt – und er war der Sohn eines Piraten und Politikers, eines Skandaj, der, wie mein Vater selbst, immer nur die Zukunft des Stammes im Kopf hatte. Er wurde in Grosswangen im Kanton Luzern in der Schweiz geboren, lebte dort aber nie, denn seine Mutter starb im Kindbett und sein Vater zog mit ihm nach Luzern. Da Hannes Meyer, wie sein Vater offiziell in den Urkunden hiess, wie die meisten Skandaj über grosse Sprachfertigkeiten verfügte, unterrichtete er in Luzern und konnte sich, dank seines politischen Einflusses, auch das eine oder andere leisten. So wuchs mein Vater die ersten dreizehn Jahre seines Lebens recht behütet auf. Das änderte sich 1884, als sein Vater verschwand. Es gibt verschiedene Gerüchte über sein Verschwinden, und selbst die Polizeiakten in den Archiven geben wenig her. Mein Vater erzählte mir einmal in etwas angetrunkenem Zustand, dass «es für den Alten Zeit war, zu verschwinden». Ich konnte und kann mit dieser Aussage bis heute nichts anfangen. Jedenfalls hatte es zur Folge, dass mein Vater in die Obhut der Familie Reidler kam  – natürlich ebenfalls Skandaj, die, getarnt als Handelsreisende, durch halb Europa zogen. Natürlich handelten sie nicht mit Ware, denn es waren ja Skandaj, sondern sie sammelten Wissen und Fertigkeiten, die sie auf ihrer Reise an andere Skandaj weitergaben. Heute scheint mir, dass mein Vater diese Reise nie beendet hat.

Es würde natürlich zu weit führen, hier sein Leben in allen Einzelheiten zu erzählen. Es geht, so habe ich das von den Autoren dieser Publikation verstanden, ja mehr darum, zu erfahren wieso er stets so handelte, wie er es tat. Es ist daher unerlässlich, sein Leben in thematische Kapitel zu gliedern.

 

Sprache

Mein Vater war ein Sprachtalent sondergleichen. Es gab, jedenfalls wenn ich den Erzählungen Miribals und anderer seiner Freunde Glauben schenken will, wirklich niemanden, mit dem er sich nicht unterhalten konnte. Ob aus Afrika, Indien, dem Iran, China oder Griechenland, Russland, Schweden oder den Aborigines in Australien: Nach kurzer Zeit schon konnte er sich mit allen unterhalten. Und, ich möchte das besonders erwähnen, denn es scheint mir ausserordentlich, selbst mit Basken, Finnen oder Ungarn fiel ihm das leicht. Dazu kam ein offensichtlich dermassen jovialer Charakter, dass ihm auch jeder die Zeit gab, die er brauchte, um die jeweilige Sprache zu erlernen.

Die Sprache war für meinen Vater das wichtigste Werkzeug überhaupt. Was für einen Schmied der Hammer ist, war für meinen Vater die Sprache. Mit ihr gelang es ihm, all das zu erreichen, was er schliesslich auch erreicht hat, nämlich das Erbe der Nienetwiler durch zwei Weltkriege in ein neues Jahrhundert zu retten.

Eine seiner wichtigsten «Schülerinnen» war seine Tochter Miribal. Ihre Mutter war zwar keine Skandaj, aber das tat ihrem Eifer, das Alaju und so viele andere Sprachen wie möglich zu erlernen, keinen Abbruch.

«Sprache ist der Spiegel der Seele und Barriere oder Schlüssel zur Welt!», pflegte Arbogast zu sagen. Er vertrat die Meinung, dass lange bevor irgendein Hominide ein Wort hervorbrachte, bereits Sprache existiert hat. Nicht eine Sprache der Worte, sondern eine Sprache der Gesten. Und diese Gesten seien noch zu einem Grossteil in den Handzeichen und der Körpersprache der Skandaj zu finden.

Auch forschte er zeit seines Lebens nach dem Ursprung der Sprachen, um die uralten Skandaj-Erzählungen, wonach das Skandaj die Mutter aller Sprachen sei, zu bestätigen oder diese These zu verwerfen. Bis zum Ende seines Lebens hat er nur Beweise für diese These gefunden.

 

Archäologie

Mit ebensolchem Enthusiasmus verfolgte Arbogast seine Forschungen nach dem Ursprung der Skandaj selbst. Hier wurde er vor allem von seinem Freund und Kollegen Amot Nussquammer unterstützt. Und obwohl die beiden das Fuder gewiss nicht immer auf demselben Wagen hatten, fanden sie doch stets wieder zusammen und brachten dieses Forschungsgebiet in ungeahnte Höhen.

 

Kunst

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Kunst war sicher nicht das grosse Talent meines Vaters, im Gegenteil: Er wurde nicht selten als absolut untalentierter Dilettant beschimpft. Dennoch befasste er sich mit ihr mit derselben Intensität, wie er das mit allem tat. Den Ursprung, Sinn und Zweck der Kunst zu ergründen war hier sein vorrangiges Ziel, und nicht, darin gut zu werden – was ihm mangels Talent denn auch niemals gelang.

 

Abenteurer und Lebemann

Mein Vater war ein Abenteurer, wie man ihn in den besten Groschenromanen finden kann. Er nahm einfach jede Herausforderung an, die ihm auf seinen Reisen begegnete. Er tauchte nach archäologischen Schätzen, drang tief in von Feinden besetztes Gebiet ein, um irgendwo einen Stein zu bergen, der zur Nienetwiler Kultur gehörte, er hatte so viele Liebschaften, dass jeder Seemann blass vor Neid geworden wäre. Er trank gerne, sang gerne, redete noch lieber und warf sich mit Inbrunst in jede Schlägerei, wenn es ein ehrbares Ziel zu verfolgen gab. Mein Vater kannte «mehr Leute als Gott», wie man sagt, und kam interessanterweise mit allen aus. Ich wünschte mir, er hätte mir dieses Talent vererbt! Mein Vater war ein Mensch, der den Krieg hasste, Gewalt ablehnte, und beides, wenn es sein musste, auch mit der Faust bekämpfte. Jedenfalls in jungen Jahren. Als er älter wurde, liess er das sein und verfocht seine Ziele mit Diplomatie und einem strategischen Gespür, das ihm allerlei Freunde aus der Weltpolitik einbrachte.

Es ist wahrlich ein Jammer, dass er, mit all diesen Talenten gesegnet, ein dermassen mittelmässiger Vater war!

Letztlich war er wohl einfach ein Getriebener, der alles, was er konnte, in die eine Sache investierte: Nienetwil.

Und mehr kann ich in dieser Kürze über ihn nicht berichten.

 

1871                geboren

1889                Erste Grabung in Kairo

1891                In Luzern, Schweiz, und Grabungen im Umland

1898                Zweite Grabung in Ägypten

1899                Grabungen in Uppsala und im Umland von Helsinki

1901                Grabungen in Frankreich (Frühjahr) und Reise nach Österreich

1905/06          Grabungen im Umland von Beromünster, Schweiz

1912                Reise durch Nordeuropa

1913                Reise und Grabungen in Sibirien

1914                Japan

1914/15/16     China/Tibet/Indien

1920                Reise Italien

1922                Slowakei und Österreich

1924                Domizil in Paris und verschiedene Grabungen und Reisen durch Frankreich und Spanien

1936                Indien

1937                England/Irland

1939                Zürich und bis nach dem Zweiten Weltkrieg in der Schweiz

1950                Verschiedene Reisen durch Europa

1969                Verschwindet spurlos

 

Zu den neuesten Forschungen über Amot Nussquammer sen. siehe hier: d’Aciel Arbogast I


  1. Inhaltsverzeichnis CRN 1-2020-1
  2. Einleitung der Herausgeber
  3. Vorwort
  4. Das Nienetwil-Projekt
  5. Was ist «visionäre Vergangenheitsforschung»?
  6. Biografie von d’Aciel Arbogast I.
  7. Die Stellung des Handwerks und Werkzeugs in der Nienetwiler Kultur
  8. Biografie Amot Nussquammer sen.
  9. Einführung in die Nienetwiler Kultur von Amot Nussquammer sen.
  10. Briefverkehr zweier Freunde und Streithähne
  11. Ursprung der Nienetwiler Kultur
  12. Biografie Nomis Arbogast
  13. Fundbeschreibung und eine kleine Zeitreise in die Nienetwiler Kulturgeschichte
  14. The Alaju Settlement – Auszug aus der Autobiografie
  15. Ausblick CRN Nr. 2
  16. Impressum-Autoren CRN 1-2020-1