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Fundbericht zu MUNI_04_01_008_001_01, dem sogenannten «Skandaj-Brett»

Vorgeschichte

Von Januar bis Juni 2021 wurde in der Löffelburg in Beromünster mit der vierten Etappe der Sanierungsmassnahmen begonnen. Die Wände und Decke des Wohnzimmers sollten neu verkleidet und der Raum isoliert werden.

Fund und «Wieder-Fund»

Bereits im Juni 2017 wurde in einer ersten Etappe die Ostwand freigelegt da darauf eine Lehmheizwand montiert werden sollte. Nach der Demontage der auf der Wand angebrachten weiss tapezierten Spanplatte, kamen stark verunreinigte, bemalte Holzpaneele zum Vorschein.

Reinigung der Wandverkleidung an R13O

 

R13O mit barocker Wandverkleidung und Tapete vor und nach Teilreinigung
Beispiel R13O_links Feld 1A R13O vor und nach Teilreinigung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachdem die Holzverkleidung von den verschiedenen Lagen Tapete befreit und gereinigt worden war, konnte die Bemalung auf eine Zeit zwischen 1720 und 1740 datiert werden.

 

In der 2. Etappe in diesem Raum wurde am 9. Februar 2021 ein Stück der Wand R13N (links des Durchgangs zu R12) demontiert.

Umbauarbeiten in Raum R13N an der Löffelburg. Entfernen der Wand, der Decke und des Bodens. zugang zu Raum unter der Treppe.

Das Holzbrett wurde bei der Demontage stark beschädigt, da nicht davon ausgegangen wurde, dass darauf mehr als die bekannte Bemalung zu finden ist. Es wurde im Anschluss im Holzlager deponiert.

 

 

 

 

Drei Jahre später wurde das Holzbrett beim Räumen des Holzlagers wiederentdeckt (Die Räumung wurde wegen der anstehenden Wyna-Sanierung bei der die Bedachung des Holzlagers demontiert werden muss, notwendig).

In der Absicht eine Seitenverkleidung für ein kleines Schränklein daraus zu machen, wurde es in die Werkstatt gebracht. Wie allgemein üblich wurde natürlich auch bei diesem Stück alle Vorsicht angewandt, die bei einem Fundobjekt – und um ein solches handelte es sich letztlich – angebracht war.

 

Freilegung des Gemäldes

In einem ersten Schritt wurden die beiden Dachlattenstücke die die vorherige Wandverkleidung trugen, entfernt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach den dachlatten wurde damit begonnen die «Tapete» zu entfernen. Dabei handelte es sich um ein Packpapier wie zu Beginn des 19- Jahrhunderts üblich, welches erst mit einer Kalkfarbe (hohe Anteile an Ochsenblut) braun bemalt, und danach gewachst wurde.

Schon beim vorsichtigen entfernen der Tapete wurden im unteren Teil des Brettes Zeichen oder Symbole sichtbar, die jedoch am Anfang nicht eingeordnet werden konnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit noch grösserer Vorsicht wurde die Tapete nun ganz entfernt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leider war das Papier wegen des harten Kleisters nur schwer vom Holz zu bekommen. Weshalb eine aufwändige Reinigung vorgenommen werden musste. Die Farbe löste sich sehr schnell, wenn sie nass wurde, gleichzeitiug musste man benetzen um die reste des Kleisters und der Tapete entfernen zu können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was uns nach der Reinigung erwartete war, man kann es nicht anders sagen, eine Sensation die uns sehr berührt hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Datierung der Bemalung

Auf Grund der grünen Bemalung welche sich im unteren Bereich des Brettes und unter der hellblauen Bemalung befindet, muss auf eine Entstehungszeit nach 1764 (Renovationsarbeiten nach dem «Fläckebrand») geschlossen werden. Die braune Tapete kann von ihrer Art her gut auf eine Entstehungszeit zwischen 1800 und 1830 eingeordnet werden. Da 1810 der neue Besitzer, der Nagelschmied Bernhard Brandstätter seine Frau Dorothea Grüter ehelichte, darf davon ausgegangen werden, dass sie für die neuen Tapeten zuständig war.

Die Entstehungszeit kann also auf 1807-1810 eingegrenzt werden.

 

Ersteller

Der genaue Urheber oder die Urheberin ist nicht bekannt. Es ist nicht anzunehmen, dass Bernhard Brandstätter oder seine Frau das Bild malten. Eher ist anzunehmen, dass ein Untermieter von Brandstätter, wahrscheinlich ein Geselle oder, noch wahrscheinlicher, ein Wandergeselle, der ihm zeitweise zur Hand ging, das Bild malte.

 

Inhalt des Bildes

Das Bild zeigt einen Mann mit einem grünen Umhang den er mit beiden Händen festhält und ausbreitet.

Darunter reihen sich in einundzwanzig Reihen Ch’apis-Schriftzeichen des Types Ch’apis-B, einer Schreibtechnik mit Pinsel die an frühasiatische oder die Linear B erinnern.

 

 

 

Der Text, in Alaju verfasst, wurde von Prof. Dr. Nomis Arbogast übersetzt (siehe Abschrift und Übersetzung am Ende des Dokuments).

Zusammengefasst geht es darum, dass jemand der «smy» genannt wurde eines Tages aufwacht und feststellt, dass er nicht der ist der er sein sollte. Er geht in einen Wald und trifft dort auf sein Ebenbild das ihm rät von einer bestimmten Quelle zu trinken, danach werde er wissen was zu tun sei, nämlich ein Volk zu schaffen, dass es noch nie gab und die dennoch schon immer hier gewesen seien. Dieses Volk seien die Skandaj. «smy» machte wie ihm geheissen und nachdem er aus der Quelle getrunken hatte, erkannte er, dass er ein Skandaj war und schuf das Volk der Skandaj. Und während er dies tat, schuf das Volk der Skandaj «smy».

Der Name «smy» in Ch’apis geschrieben

Die Geschichte könnte als Schöpfungsmythos betrachtet werden, führt jedoch zurück auf eine in Skandaj-Märchen bekannte Sagengestalt, nämlich jenes «smy». Dieser erlebt in einem magischen Wald verschiedene Abenteuer bei denen er auch seine magischen Fähigkeiten nutzt. In gewisser Weise kann er mit dem aus der finnischen Mythologie bekannten Vainamoinen, oder dem keltischen Gott Lugus verglichen werden. Tatsächlich aber trifft beides nur bedingt zu.

 

 

 

 

 

 

 

Einordnung des Fundes in die Nienetwiler Forschung

Es sind bisher nur wenige Fundstücke von so aussergewöhnlichem Wert für die Nienetwiler Forschung bekannt. Da schriftliche Zeugnisse in Alaju ohnehin sehr selten sind, ist eine so ausführlich und besonders schön gestaltete Überlieferung als äusserst wertvoll zu betrachten.

 

Der Text

Auf dem Bild sind die Zeilen Senkrecht. Der besseren Lesbarkeit halber wird der Text hier waagerecht dargestellt.

 

 

Besonderheiten

In der deutschen Sprache (wie auch in den meisten anderen) erzählen wir Geschichten in der Vergangenheitsform. Dies ist im Alaju meist anders. In dieser Geschichte zum Beispiel steht: 21/ «… smy·atek·skandai …», also «… Smy erschafft die Skandaj …», und nicht Smy erschuf die Skandaj. Das Fehlen von Vergangenheits- und Zukunftsformen ist in der Nienetwiler Kultur durchaus üblich, da nicht zwischen Zeiten unterschieden wird.

In Reihe 7 wird der Baum in der Lichtung Buche «to·po·buche …», nicht mit dem Alaju Wort  «pogi», genannt. Weshalb die Urheberin o0der der Urheber das tat erschliesst sich nicht. Es zeigt jedoch, dass die Person aus dem deutschsprachigen Raum stammte.

Dass Smy im Wald der Buchin sein Ebenbild antrifft wundert nicht. Aus vielen verschiedenen Skandaj-Geschichten wird deutlich, dass es offensichtlich verschiedene Smy gab/gibt, die fast alle weder zeitlich noch örtlich festzumachen sind.

 

Der Text als Prosa

Es begab sich einmal vor langer, langer Zeit, da erwachte Smy aus einem unruhigen Schlaf. Er streckte sich und gähnte wie nur er gähnen konnte. Vögel flogen aus seinem Mund und zwitscherten wütend, weil sie nicht ausschlafen konnten.

Mit zusammengekniffenen Augen sah er hoch ins Morgenlicht und da plötzlich blieb er wie erstarrt. Etwas schreckliches hatte ihn getroffen. Nein, kein Pfeil, kein Huftritt, kein Himmelsstein, sondern viel viel schlimmer. Er hatte eine Erkenntnis! Ist das nicht schrecklich? So früh am Morgen?

Smy hatte nämlich plötzlich erkannt, dass er gar nicht der war der er eigentlich sein sollte, und noch wichtiger, er war nicht der der er sein wollte! Er wusste plötzlich, dass er der falsche Erselber war.

So überkam ihn eine tiefe Trauer. Er hatte doch ein Leben hinter sich. Hatte Familie und Freunde. Aber da rieten ihm die Tiere die um ihn herum geschlafen hatten, dass er doch in den Wald der Buchin gehen sollte, denn da würde ihm sicher geholfen werden.

Ein kleiner Kiebitz flog ihm voraus und zeigte ihm den Weg, und schon kurze Zeit später waren sie dort.

Und stellt euch vor, als er in den Wald kam, da gab es dort eine grosse Lichtung und darinnen stand eine riesige Buche. Und vor der Buche, glaubt es oder glaubt es nicht, da stand er selber und lachte ihn an!

Und der der da bei der Buche stand der rief: «He du, der du ich bis und doch nicht ich bist, du solltest zu deinem richtigen Ich finden, denn du muss ja die Skandaj erschaffen! Die Skandaj die es noch nie gab und die schon immer da waren. Geh zu der grossen Quelle im Osten und trinke dort von dem Wasser bis dir die sinne schwinden. Danach, wirst du wissen wer du bist. Und kaum hatte er das gesagt, da lachte er wieder und verschmolz mit dem Wald.

So ging Smy zu der grossen Quelle im Osten und trank dort von dem Wasser bis ihm die Sinne schwanden.

Als er wieder erwachte, oh stellt euch vor! Da wusse er mit Sicherheit, dass er ein Skandaj war und dass er schon immer ein Skandaj gewesen ist. Aber er wusste auch, dass er der einzige Skandaj war und nun das Volk der Skandaj schaffen musste.

Und so kam es, dass Smy das Volk der Skandaj erschuf, und als Smy die Skandaj erschuf, da erschufen die Skandaj Smy.

 

Alle Bilder und Texte zu diesem Objekt sind Teil des Kunst-Wissenschaft-Projekt NIENETWIL. Sie dienen wie alles auf dieser Homepage – oder allem anderen das mit Nienetwil zusammenhängt – einzig und alleine dazu, die Existenz der Utopie Nienetwil zu beweisen.

Der Urheber der Texte und Bilder ist Simon Meyer